Heute war zu lesen: Was xyz wirklich bedeutet. Oder: Worum es bei … wirklich geht. In Wirklichkeit…
Das hast Du bestimmt auch schon einmal gelesen. Und dann weitergelesen. Oder hin-gehört, oder?
Warum?
Wollen wir nicht wirklich wissen, worum es wirklich geht? Und was die Wirklichkeit ist? Ist es die Neugier, die uns treibt? Ist es eine Sehnsucht nach Klarheit? Ist es die Angst in einer falschen Wirklichkeit unterwegs zu sein oder unter falschen Annahmen zu denken, zu handeln, zu leben?
Vielleicht ist es eine Mischung aus all dem – unter Ergänzung einiger mehr oder weniger wichtiger Zutaten (die mir gerade nicht einfallen wollen).
Wortherkunft
Um der Sache etwas näher zu kommen sollten wir uns mal anschauen, was denn der erste Ratgeber, das Etymologische Wörterbuch des Deutschen, so sagt. Wirklich bzw. Wirklichkeit hat mindestens drei (gängige) Bedeutungen: 1. als „den Tatsachen entsprechend, real“. 2. dem „erklärten Sinn der Sache, dem Wesen der Sache entsprechend“ oder 3. als quasi Verstärkung („wahrhaftig, in der Tat“).
Wirklich und Wirklichkeit kommen vom Verb wirken. Wirken bedeutet(e) arbeiten, tätig sein, Einfluss ausüben, Eindruck machen. Das im Mittelhochdeutschen noch verwendete „würken“ kann eine gewisse Verwandtschaft mit dem aus dem Englischen stammenden „to work“ nicht ganz verleugnen.
Sprachverwirrung
Diese Gedanken macht sich wohl kaum jemand, wenn er / sie den Begriff „wirklich“ verwendet. Vor der Verwendung wohl auch nicht. Das ist eines der gravierendsten Probleme in der (zwischen-)menschlichen Kommunikation. Wir verwenden Begriffe, von denen wir nicht wissen, woher sie kommen oder was sie bedeuten – und gehen davon aus, dass unsere Gesprächspartner genau das gleiche Verständnis haben.
Und da der Gesprächspartner das ebenso sieht, hat niemand einen Anlass zur konsensfördernden Vorabklärung der verwendeten Begrifflichkeiten.
Zurück in die „Wirklichkeit“
Bestimmt haben viele von uns erlebt, dass ein- und dieselbe Sache, dass ein- und dieselbe Situation von unterschiedlichen Personen unterschiedlich wahrgenommen werden. Ich nehme etwas anderes (und das Ganze sowieso anders) wahr als Du.
So gibt es mindestens so viele Wahrheiten wie es Menschen multipliziert mit der Anzahl der möglichen Situationen gibt. Unendlich viele Wahrheiten und unendlich viele Wirklichkeiten.
Mach es wie ich!
Und dann sagt jemand in diesem Bällebad der Optionen und Verwirrungen: Hey Du, ich weiß, wie es wirklich ist! Und ich bin verunsichert, weil ich meiner Wahrnehmung nicht traue und gucke, höre, lese was der denn so zu sagen hat. Was wirklich wirklich ist. Und schwupp dockt meine Aufmerksamkeit irgendwo an, wo es nix zu lernen gibt. Aber dass wissen wir meist erst im Nachhinein.
Moment mal…
Kurze Nachdenkpause… das ist doch bekannt, oder? Aufmerksamkeit weg, Energie flöten, Zeit verschwendet. Nicht? Dann lohnt es sich ab jetzt etwas aufmerksamer zu sein;-)
Bereicherndes
Es ist ja nicht so, dass Perspektiven, Ansichten, Meinungen und Ideen anderer Menschen nicht uninteressant sind. Ganz im Gegenteil. Nur will derjenige, der mir sagen will, wie es wirklich ist, mir nahelegen, dass seine Sicht der Dinge die richtige Sicht ist. Und er oder sie möchte mich (bewusst oder unbewusst) dazu bewegen, diese Sicht anzunehmen und ihm / ihr quasi zu folgen: „Mach es wie ich, denke und sehe die Dinge wie ich.“
Verkettung
Je mehr Menschen dieser „Wirklichkeit“ folgen oder sie als wirklich anzusehen, desto machtvoller wird sie. Das kann gut sein, muss es aber nicht. Dinge werden nicht automatisch richtig, wenn sie viele als richtig ansehen. Eine Wirkung erzielt das aber doch. Und das kann auch eine Art Wirklichkeit erzeugen.
Und jetzt?
Schalte den Autopiloten aus. Schau Dir genau an, was passiert. Erinnere Dich daran, dass es unendlich viele Wirklichkeiten gibt. Freue Dich über die Vielfalt der existierenden Ansichten. Denke und fühle selbst. Vertraue Dir.