Zum Inhalt springen

Ratschläge und Sonnencreme

  • 5 min read

Über den einen oder anderen Kanal habe ich in den letzten Tagen folgendes Zitat von Mary Schmich geteilt:

Achten Sie darauf, von wem Sie Ratschläge annehmen, aber seien Sie nachsichtig mit denen, die sie anbieten.

Ratschläge sind eine Art von Nostalgie: wer sie anbietet, fischt die Vergangenheit aus dem Abfall, wischt sie ab, überpinselt die unansehnlichen Stellen und bringt sie für mehr in Umlauf, als sie eigentlich wert sind.

Das ist natürlich – und das ist bei 99,9875 % aller Zitate so – aus dem Zusammenhang gerissen. Jetzt stelle ich den Zusammenhang her, weil ich glaube, dass es so muss.

Mary Schmich war in den 90ern des letzten Jahrhunderts unter anderem Kolumnistin bei der Chicago Tribune. Das Zitat stammt aus ihrer Kolumne (kiene Ahnung welche Ausgabe) aus dem Jahre 1997 – alles, soweit ich es flott recherchiert habe.

In einer Zeit, wo wir uns wenig Zeit nehmen für das größere Bild, Fragmenten statt Zusammenhängen mehr Aufmerksamkeit schenken, hoffe ich, dass Sie sich die Zeit für diesen – aus meiner Sicht großartigen und zeitlosen – Text nehmen.

Also los!

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Absolventen des Jahres 1999,


benutzen Sie Sonnencreme.

Wenn ich Ihnen nur einen Ratschlag mit auf den Weg geben dürfte, er würde Sonnencreme lauten. Der langfristige Nutzen von Sonnencreme ist wissenschaftlich erwiesen.

Meine übrigen Ratschläge hingegen gründen auf nichts Zuverlässigerem als auf meinen eigenen buntgemischten Erfahrungen.

Hier ist mein Rat:



Genießen Sie die Kraft und Schönheit Ihrer Jugend;
keine Sorge, die Kraft und Schönheit Ihrer Jugend werden Sie erst begreifen, wenn Sie sie eingebüßt haben. Aber glauben Sie mir, in 20 Jahren werden Sie sich alte Fotos ansehen und in einer Ihnen heute nicht begreiflichen Weise erkennen, wie viele Möglichkeiten Ihnen damals offenstanden und wie hinreißend Sie eigentlich aussahen. Sie sind gar nicht so dick, wie Sie glauben.

Sorgen Sie sich nicht um Ihre Zukunft oder machen Sie sich von mir aus Sorgen, aber denken Sie daran, dass das so viel nützt wie Kaugummikauen beim Lösen von Mathematikaufgaben. Die wahren Probleme in Ihrem Leben sind meist Dinge, an die Sie in Ihren sorgenvollen Stunden nie denken würden. Dinge, die zum Beispiel an einem unbeschwerten Dienstagnachmittag um vier aus heiterem Himmel auf sie niederprasseln.

Machen Sie jeden Tag etwas, wovor Sie Angst haben! Singen Sie! Gehen Sie mit den Herzen anderer nicht rücksichtslos um, meiden Sie Menschen, die mit Ihrem Herzen rücksichtslos umgehen. Benutzen Sie Zahnseide. Verschwenden Sie ihre Zeit nicht mit Neidgefühlen. Manchmal liegen sie vorne, manchmal hinten. Das Rennen ist lang und letztendlich treten Sie nur gegen sich selbst an.

Merken Sie sich Komplimente, vergessen Sie Beleidigungen! Falls Ihnen das gelingt, verraten Sie mir wie. Heben Sie Ihre alten Liebesbriefe auf, werfen Sie Ihre alten Bankauszüge weg! Machen Sie Dehnungsübungen. Fühlen Sie sich nicht schuldig, wenn Sie nicht wissen, was Sie aus Ihrem Leben machen wollen, die meisten interessanten Leute, die ich kenne, wussten mit 22 auch nicht, was sie mit ihrem Leben machen wollten. Einige der interessantesten 40-Jährigen wissen es immer noch nicht.

Nehmen Sie viel Calcium. Seien Sie nett zu Ihren Knien… Sie werden sie eines Tages noch vermissen.

Vielleicht heiraten Sie, vielleicht auch nicht.
Vielleicht haben Sie Kinder, vielleicht auch nicht.
 Vielleicht lassen Sie sich mit 40 scheiden, vielleicht feiern Sie auch ihren 75. Hochzeitstag mit einem Ententanz.


Was Sie auch tun, loben Sie sich nicht zuviel und tadeln Sie sich nicht.


Die Hälfte Ihrer Entscheidungen sind vom Zufall bestimmt.
 Und so geht es allen!

Haben Sie Freude an Ihrem Körper. Nutzen Sie ihn so viel wie möglich. Haben Sie keine Angst vor ihm oder davor, was andere über ihn denken. Er ist das beste Instrument, das Sie haben.


Tanzen Sie! Selbst wenn es nur im Wohnzimmer ist.

Lesen Sie die Anleitung, auch wenn Sie sie nicht beachten.


Lesen Sie keine Schönheitsmagazine, Sie werden sich nur hässlich fühlen.

Lernen Sie Ihre Eltern kennen – keiner weiß, wann sie für immer fort sein werden.
 Seien Sie nett zu Ihren Geschwistern, sie sind die beste Verbindung zu Ihrer Vergangenheit und werden am ehesten auch in Zukunft zu Ihnen halten.


Machen Sie sich klar, dass Freunde kommen und gehen, aber pflegen Sie einige wertvolle Freundschaften. Tun Sie alles, um sich räumlich und menschlich nahe zu bleiben, denn je älter Sie werden, desto mehr sind Sie auf Menschen angewiesen, die sie schon als Kind kannten.

Leben Sie eine Zeitlang in New York, aber gehen Sie, bevor Sie zu hart werden.
 Leben Sie eine Zeitlang in Nordkalifornien, aber gehen Sie, bevor Sie zu weich werden.


Reisen Sie!

Akzeptieren Sie gewisse unverrückbare Wahrheiten! Alles wird teurer.
Politiker sind immer hinter Frauen her.

Auch Sie werden einmal alt sein.
 Und dann werden Sie darüber sinnieren, dass früher alles billiger war, Politiker sich anständig benahmen und Kinder das Alter respektierten.
 Respektieren Sie das Alter! Verlassen Sie sich nicht auf die Hilfe anderer.

Vielleicht haben Sie Aktien, vielleicht einen reichen Ehepartner.
 Aber man weiß nie, wie lange die eine oder der andere vorhält.
 Fummeln Sie nicht zuviel an Ihrem Haar herum, sonst sehen Sie mit 40 aus wie 85.

Achten Sie darauf, von wem Sie Ratschläge annehmen, aber seien Sie nachsichtig mit denen, die sie anbieten.


Ratschläge sind eine Art von Nostalgie: wer sie anbietet, fischt die Vergangenheit aus dem Abfall, wischt sie ab, überpinselt die unansehnlichen Stellen und bringt sie für mehr in Umlauf, als sie eigentlich wert sind.

Aber das mir der Sonnencreme können Sie mir glauben!

nach: Mary Schmich – (Wear) Sunscreen