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Gute Kommunikation – gute(s) Fragen (3)

  • 9 min read

Weiter geht es mit dem dritten und letzten Teil dieser Artikleserie – zugegeben etwas lang, allerdings ziemlich gehaltvoll:-) Los gehts:

Wenn wir klar und zielgerichtet kommunizieren, kommen wir schneller und einfacher zum Ziel. Wir vermeiden Missverständnisse und unnötige Rückfragen. Wir sparen so wertvolle Zeit und knappe Ressourcen. Außerdem vermitteln wir unseren Gesprächspartnern, Mitarbeitenden und Teamkollegen Klarheit und Verbindlichkeit. Gleichzeitig gewinnen wir Klarheit für und über uns selbst – das ist gerade im Führungsalltag gegenüber unseren Mitarbeitenden von unschätzbarem Wert, denn nur, wer sich selbst über seine Motive, Prinzipien, Interessen und Ziele im Klaren ist, der kann auch klar kommunizieren.

Was haben wir von kommunikationsfähiger Führung, in Zusammenarbeit und unter Beteiligung kommunikationsfähiger und kommunikationsbereiter Mitarbeitenden? Der Nutzen liegt insbesondere in einer hohen Transparenz, in gesteigertem gegenseitigen Vertrauen und einer hohen Verbindlichkeit und Wertschätzung – womit wir wieder bei den aus dem SCARF-Modell bekannten Bedürfnissen sind.

Bestens bewährte Methoden: Aktives Zuhören und Paraphrasieren

Sicher lassen sich diese beiden Ansätze getrennt betrachten. In der Praxis lassen sie sich jedoch nicht wirklich unabhängig voneinander anwenden, vielmehr greifen sie ineinander und brauchen sich gegenseitig.

Zuhören ist nicht gleich zuhören. Mit einem Kopfnicken zwischendurch oder einem „hm“ erwecken wir den Eindruck, Gehör zu schenken. Tatsächlich fühlen wir uns als Gegenüber aber nicht beachtet oder ausreichend ernst genommen. Möglicherweise bekommen wir Lösungsvorschläge oder Angebote für etwas, das nicht unser eigentliches Anliegen war. Unser Gesprächspartner hat uns eben nicht richtig zugehört. Wer kennt das nicht?

Selbst wenn uns jemand konzentriert ansieht, während wir sprechen, können wir den Eindruck haben, dass er oder sie nicht bei der Sache ist, uns nicht wirklich zuhört. Das dürfte den meisten von uns aus unzähligen Video-Calls bekannt sein.

Im Prinzip ist so eine Art der Kommunikation verschwendete Zeit für uns und unseren Gesprächspartner. Und sie ist anfällig für Missverständnisse: Selbst, wenn wir alles gesagt haben sollten, wissen wir nie, ob alles bei unserem Gesprächspartner angekommen ist und ob er uns auch wirklich verstanden hat. Jeder geht mit seinem subjektiven Verständnis aus dem Gespräch und verhält sich im Anschluss entsprechend. Wenn beide Seiten sich dann irgendwann über die erzielten Ergebnisse austauschen, ist die Überraschung groß: „Das habe ich aber so nicht gemeint.“ Oder: „Das haben Sie aber so gesagt.“ Es gibt wieder Gesprächsbedarf – mindestens. Auf jeden Fall aber erleben wir dadurch in so einem Moment mehr Trennendes als Verbindendes. Es geht aber auch anders:

Die Grundvoraussetzungen für gelingende Kommunikation

Auch, wenn wir es täglich tun, heißt es nicht, dass wir gut darin sind – eine Handvoll wichtiger Eckpfähle und Regeln macht gute Kommunikation erst möglich. Welche Regeln das sind? Einige, die schnell einleuchten dürften:

Volle Aufmerksamkeit: Wir schenken unserem Gesprächspartner unsere volle Aufmerksamkeit für die Dauer des Gesprächs. Die Telefone bleiben lautlos, wir erledigen keine Tätigkeiten nebenher und sind für andere vorübergehend nicht ansprechbar. Das gilt auch und insbesondere im Homeoffice.

Echtes Interesse: Wir interessieren uns wirklich für unseren Gesprächspartner und das, was er uns mitteilen möchte. Idealerweise haben wir nicht nur einen klaren Schreibtisch, sondern auch einen klaren Kopf ohne störende Gedanken, wenn wir in das Gespräch gehen.

Empathie und Einfühlungsvermögen: Uns gelingt es, die nonverbale Kommunikation unseres Gesprächspartners zu entschlüsseln und zu verstehen. Dadurch können wir auf möglicherweise auftretende Unsicherheiten eingehen, die ihn darin hindern könnten, seinem Anliegen den beabsichtigten Ausdruck zu verleihen.

Gleichbehandlung: Wir werden zu authentischen, aktiven Zuhörern, wenn wir jeden – unabhängig von seiner Hierarchie und seinem Status – in den Genuss dieser Kommunikationsfertigkeit kommen lassen. Unser Nutzen ist dabei insbesondere, dass wir alle unsere Gesprächspartner besser verstehen – und wir lernen mehr über sie (und uns).

Vorurteilsfreiheit: Häufig haben wir vorgefertigte Meinungen oder Urteile über unsere Gesprächspartner oder deren Aussagen (siehe auch weiter oben: individuelle Kreativitätsbarrieren). Das kann uns von dem wirklichen Anliegen ablenken. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir unvoreingenommen in so ein Gespräch gehen – zum Wohle der Kommunikationsqualität.

Fragen: der aktive Part im Aktiven Zuhören. Wir stellen (Rück-) Fragen, um zu klären, ob wir unseren Gesprächspartner richtig, das heißt in seinem Sinne, verstanden haben.

Ankommen lassen: Wenn das Gespräch emotional beginnt, weil unser Gesprächspartner aufgeregt ist, geben wir ihm die Gelegenheit zum „Ankommen“ und „Runterkommen“. Wir können ihn dadurch unterstützen, dass wir selbst ruhig und weitestgehend entspannt bleiben. In der Regel überträgt sich die Ruhe – auch in der Atmung – auf unseren Gesprächspartner. Das gilt auch für Video-Calls.

Zeit nehmen – und geben: Voll bei der Sache und ganz Ohr zu sein bedeutet, dass wir genügend Zeit für das Gespräch vorgesehen und den zur Verfügung stehenden Zeitrahmen klar kommuniziert haben. Innerhalb dieses Rahmens stehen wir mit unserer vollen Aufmerksamkeit zur Verfügung. Wenn es absehbar ist, dass das Gespräch in diesem Rahmen nicht abgeschlossen werden kann, bieten wir einen Folgetermin an.

Voreilige Lösungsvorschläge

Auch wenn es uns auf der Zunge liegt und unter den Nägeln brennt (Stichwort: Autonomie und Bedrohung), weil wir schon eine Lösung für das Problem unseres Gesprächspartners parat haben: Wir sollten darauf vertrauen, dass Menschen (unsere Gesprächspartner ausdrücklich eingeschlossen) über gute Fähigkeiten verfügen, Lösungen selbst herbeizuführen.

Unsere Spontanlösung mag zwar richtig sein und das Gespräch zügig zu einem Ergebnis führen. Allerdings kann es sein, dass sich unser Gesprächspartner dadurch bevormundet oder übervorteilt fühlt – die Augenhöhe fehlt. Außerdem ist die Identifikation mit Lösungen, die Menschen selbst gefunden haben, höher. Deshalb sollten wir uns und unserem Gesprächspartner die nötige Zeit geben.

Die wichtige Frage nach Motiven und Prinzipien

Worum geht es mir und meinem Gesprächspartner wirklich? Wissen wir das eigentlich? Wollen wir das wissen? Das wäre gut, denn meistens steckt nämlich noch wesentlich mehr in einem Gespräch als der eigentliche Anlass vermuten lässt.

Wenn wir aufmerksam und aktiv zuhören, haben wir die Chance, leise Töne, Andeutungen oder Hinweise zu finden, die auf ein mögliches Problem oder einen sich langsam entwickelnden Konflikt an einer anderen Stelle hinweisen. Selbstverständlich gibt es nicht in jedem Gespräch und zu jeder Zeit schwelende Konfliktherde an anderen Stellen. Unsere kommunikativen Fähigkeiten – und insbesondere das Aktive Zuhören – unterstützen uns aber sehr gut bei der Früherkennung.

Paraphrasieren

Wenn wir paraphrasieren, dann wiederholen wir in eigenen Worten das, was unser Gesprächspartner zuvor gesagt hat. Aber Vorsicht: Das heißt nicht, dass wir jeden Satz papageienhaft nachplappern. Das wäre weit über das Ziel hinausgeschossen, ließe Respekt vermissen – und das wirkt eher albern.

Wir sollten daher das Paraphrasieren an bedeutenden Stellen, an Stellen im Gespräch, die uns nicht ganz klar sind, einsetzen. Mit Bedacht – und mit der erklärten Absicht, unseren Gesprächspartner wirklich verstehen zu wollen. Verständnis und Anerkennung sind an dieser Stelle wichtiger als ein Konsens oder ein Kompromiss.

Wenn wir paraphrasieren, bietet es sich an, das in einer Frageform zu tun. Das könnte so aussehen: „Habe ich Sie eben richtig verstanden, wenn ich sage, dass die Kollegin mit dieser Mail eine Behauptung verbreitet, die so nicht zutrifft und sie durch die Wahl des Mail-Verteilers in Ihren Kompetenz- und Verantwortungsbereich eingedrungen ist?“

Durch die Wiederholung in unseren Worten haben wir die Möglichkeit, für uns und unseren Gesprächspartner Klarheit zu schaffen.

Wenn unser Gespräch sich in Richtung Ende bewegt, brauchen wir in der Regel eine abschließende Zusammenfassung – ein Gesprächsergebnis, einen gemeinsamen Sachstand. Dazu gehören zweifellos die Fakten, über die wir gesprochen haben.

Vollständig wird eine Zusammenfassung jedoch dann, wenn sie die emotionale Seite berücksichtigt und wir beide Dimensionen in unsere Worte kleiden und sie als Frage wiedergeben. So könnten wir zum Beispiel zusammenfassen: „Verstehe ich Sie richtig, wenn ich sage, die Teilnahme an der Change-Manager-Fortbildung würde Sie nicht nur fachlich weiterbringen, Sie würden sich darüber hinaus motiviert und wertgeschätzt fühlen?“

Indizien für die grundlegenden Bedürfnisse im Team: emotionale und versteckte Botschaften ansprechen

Genauso wichtig wie das, was gesagt wurde, ist der Umstand, wie es gesagt wurde – und auch das, was NICHT gesagt wurde: unterschwellige Botschaften (vom Gesprächspartner beabsichtigt oder unbeabsichtigt), emotionale Regungen, Dinge, die nicht angesprochen wurden. Aktives und aufmerksames Zuhören, eine gute Portion Empathie und das Lesen zwischen den Zeilen können uns helfen, die tieferliegenden und wirklichen Motive unserer Gesprächspartner zu erkennen – eine wertvolle und verständniserhöhende Einsicht.

Wenn wir eine Ahnung, ein entsprechendes Gefühl oder eine Intuition haben, dass noch etwas unter der Oberfläche liegt, dann können wir dieses in Form einer ICH-Botschaft auszudrücken, um im Anschluss mehr Klarheit über die Motive unseres Gesprächspartners zu erlangen. Möglicherweise erkennen wir in diesem Zusammenhang Überschneidungen und Gemeinsamkeiten mit unseren Motiven und denen unseres Gesprächspartners. Beide Erkenntnisse sind ausgesprochen wertvoll. Wichtig dabei ist, dass wir wertschätzend und eher sanft formulieren – und mit der Aussage bei uns bleiben, also nicht absolut werden.

Eine entsprechende ICH-Botschaft könnte so aussehen: „Ich habe den Eindruck, dass da noch mehr in Ihrer Aussage steckt, als ich auf den ersten Blick erkenne. Kann es sein, dass da in Bezug auf den neuen Kollegen so etwas wie Misstrauen Ihrerseits mitschwingt?“

Timing und Fingerspitzengefühl

Wenn es darum geht, emotionale und versteckte Botschaften anzusprechen – zum Beispiel in Form einer ICH-Botschaft – sollten wir den Zeitpunkt (und die Situation) mit Bedacht wählen. Obwohl am Ende des Gesprächs gut und richtig aufgehoben, muss diese Botschaft nicht zur aktuellen Gemütsverfassung oder der Persönlichkeit unseres Gesprächspartners passen. Möglicherweise will derjenige absolut nicht, dass Gefühle oder Unterschwelliges thematisiert werden. Oder er fühlt sich „ertappt“, weil wir etwas (zutreffenderweise) ansprechen, von dem er nicht möchte, dass es entdeckt und offenbart wird.

Hier sind unsere Empathie, Menschenkenntnis und unser Fingerspitzengefühl gefragt. Ist der Zeitpunkt falsch gewählt, kann mit nur dieser einen Botschaft die konstruktive und bisher vertrauensvolle Gesprächssituation zusammenfallen wie ein Kartenhaus. Vielleicht gibt es in der Zukunft eine bessere Gelegenheit. Dann sollten wir sie nutzen. Oder es erledigt sich auch von selbst.

Zeit ist knapp und es scheint Wichtigeres zu geben, als an der optimalen Kommunikation zu arbeiten. Wir denken häufig, dass wir eine gute Auffassungsgabe besitzen und unseren Gesprächspartner mit Sicherheit gut verstehen. Auf der anderen Seite gehen wir davon aus, dass wir in der Lage sind, klar und deutlich zu kommunizieren und uns unserem Gesprächspartner unmissverständlich mitzuteilen.

Klarheit und Verstehen vor Konsens

So wichtig es also ist, dass wir Klarheit über die Fakten erlangen, so wichtig ist es auch, auf Gefühle, Beziehungen und Befindlichkeiten einzugehen. Die Klarheit über die Faktenlage bietet uns unter Umständen kein vollständiges Bild der Situation. Klarheit über die Emotionen und Befindlichkeiten unseres Gesprächspartners hingegen vervollständigen das Bild.

Die Klarheit der Position der Beteiligten, das Verstehen der jeweiligen Position (und damit der Person) steht dabei über einem Konsens, einem Kompromiss oder dem Bestreben, Recht zu haben.

 

Das war der dritte und letzte Teil dieser Miniserie, die am Stück und zusammengenommen meinen Beitrag zum Buch „Unternehmen am Abgrund? 11 geniale Wge das Ruder herumzureissen“, herausgegeben von André M. Beier darstellt – und insgesamt 11 tolle Menschen haben dazu beigtragen!