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Ungenutzte Potentiale im Retail

  • 5 min read

oder warum sich der Einzelhandel – oder besser ausgewählte Einzelhändler sich selbst ins Knie schießen und dafür nicht das böse Internet brauchen.

Zu gerne wird genörgelt und gejammert im Einzelhandel – ob mit oder ohne Netzwerkstecker. Ich weiß das: Ich habe das schon an der Uni gelernt und in einigen Handelsunternehmen gearbeitet. Außerdem habe ich rein beruflich mit Händlern zu tun (was mir wirklich sehr viel Freude macht!) Alles in Allem eine gute Basis, wenn ich noch meine eigenen Kundenerfahrungen hinzuaddiere.

Klar, das Geschäft könnte besser laufen.

Ja, preisagressive Betriebsformen machen einem das Leben schwer (damals klagte der Fachhandel über die Fachmärkte und Discounter, heute klagen die Fachmärkte über “das Internet” – finde den Fehler!)
 Ja, Innenstädte drohen zu veröden und ja, die eine oder andere Mall trägt ordentlich dazu bei.
 Ja, die Personalkosten sind hoch und die Mieten und Energiepreise sind es auch. Und dann wird das Parken auch noch ständig teurer.

Jetzt in der Vorweihnachtszeit, die konsumtechnisch im Prinzip schon irgendwo zwischen Ostern und den Sommerferien beginnt, stehen alle in den Startlöchern um eine ordentlich Kelle von Vatis und Muttis Weihnachtsgeld und Großelterns Sparstrumpf abzuschöpfen – Online wie Offline.

Aber was ist, wenn man es einfach nicht schafft den Ladenbesucher zu einem Kunden zu machen – und warum ist das so? Und was kann man dagegen tun?

(Wer wenig Zeit hat und die Antworten lesen möchte, scrollt bitte bis zu den Aufzählungszeichen. Wer die Geschichte ganz lesen möchte, liest einfach weiter;-)

Also…Dazu und vorab die folgende Geschichte, die mir so (oder ganz ähnlich) passiert ist – ganz schnell erzählt:
Tageszeitung aufgeschlagen, Warenhausprospekt gefunden, darin gestöbert, Geschenk für die Tante gefunden, Webseite des (Multi-Channel-) Händlers aufgerufen, Artikel nicht gefunden, Filialbesuch beschlossen.

Zugegeben: Ich kenne mich mit Geschenken für Tanten und Porzellan und Haushaltswaren weniger als gar nicht aus, aber der Einzelhandel verfügt über einen (noch) unschlagbaren Vorteil: Menschen, die ich fragen kann! Also frage ich (vermutlich war ich schon im richtigen Stockwerk) mit dem Prospekt in der Hand, wo ich denn dieses Schmuckstück finde. Erste Antwort: Das finden Sie wahrscheinlich im ersten Stock, aber wenn sie es dort nicht finden, haben wir es nicht. Am besten, Sie fragen da eine Kollegin.

Nun, um nicht alles in Echtzeit zu erzählen, hier die wesentlichen Stichpunkte: Kollegin 1 nicht zuständig, ruft laut nach Kollegin 2, beide zusammen führen mich schnatternd zum Display, Artikel ist dann wohl doch nicht mitgekommen, kommt Mittwoch oder Freitag, wir können Sie anrufen, wenn es da ist.
Eine Variation dazu ist: Artikel ist da, aber die Schlange an der (mühselig gefundenen) Kasse ist für ungeduldige Menschen so lang, dass ich mich gegen den Kauf entscheide und meinen Warenkorb stehen lasse.

Hier handelt es sich nicht um eine repräsentative Erhebung, aber man bekommt eine Ahnung, wie es in einigen Tagen und Wochen zugehen wird – und wieviel Geld eben nicht hinter Ziegel und Beton gelassen werden.

Und hier ist die Sprungmarke für Eilige: Was tun?

1. Das Verkaufspersonal hegen und pflegen
 Obwohl vermutlich am schlechtesten bezahlt ist es doch die wichtigste Person. Es ist die Person, an die wir uns erinnern. Und diese Person ist dann – ob nach guter oder schlechter Erfahrung – DAS Unternehmen.
Händler verschenken Umsatz und Loyalität, wenn sie nicht dafür Sorge tragen, dass Verkäufer wissen was sie tun und wie sie es tun. Gerade auf einem Terrain, wo sie eigentlich Topp sind: Individuelle Beratung und Curated Shopping.

2. Wer suchet, der findet
 Eben nicht! Dafür gibt es mehrere Gründe: 1. Das Produkt gibt es nicht (ok, dann kann es auch nicht gefunden werden) und 2. niemand im Laden weiß ob und wo es das Produkt auf der Fläche gibt. So manch einer hat das Geschäft frustriert verlassen, weil er eben nicht das gefunden hat, was er suchte.
Wie wäre es mit elektronischen oder menschlichen Pfadfindern, die tatsächlich wissen was es im Laden gibt und wo. Ob ein Verkäufer mit perfekter Sortiments- und Ortskenntnis oder verlässliche Infoterminals MIT Bestandsabfrage: Ich will den Artikel finden und zwar schnell.

3. Zahlen bitte
 Hat man dann den Fund oder die Beute im Einkaufswagen, gilt es a) eine Kasse zu finden und b) in einem als angemessen empfundenen Zeitfenster an die Reihe zu kommen (ohne, dass zum Beispiel jemand dringend zur Pause und ich mir eine neue Kasse suchen muss). Klingt etwas polemisch, ist aber einer der Kaufabbruch- und zum-Online-Shop-Wechsel-Gründe schlechthin.
 Klar ist: Kassen brauchen Platz, was zu Lasten der Verkaufsfläche geht. Kassen brauchen Personal, was zu Lasten der Verkaufstätigkeit geht. Beides schreit nach Mobile POS Lösungen – gerade in Kaufhäuser: Der Verkäufer, der mich beraten hat, kann mich direkt (bargeldlos / kontaktlos) auschecken. Der Bon als Kaufbeleg kann über kleine, mobile Drucker, die man aus dem Gastro-Bereich kennt, ausgedruckt werden. Keine Raketentechnik nötig und auch Menschen ohne Smartphone aber mit Kredit- oder ec-Karte kommen in den Genuss des unkomplizierten Kaufs.

Nur drei Ansätze – dafür einfach. Leider noch zu selten in der freien Wildbahn zu sehen – halten wir in den nächsten Wochen und Monaten die Augen offen!

(Diesen Beitrag habe genau so bereits im November bei future-commer.de veröffentlicht – aktuell ist er tatsächlich immer noch..)